Frau Präsidentin,
meine sehr geehrte Damen und Herren,
der Verweis auf geringe Wahlbeteiligungen ist für mich kein hinreichendes, geschweige denn ausschlaggebendes Argument zur Abschaffung der Direktwahl der Landräte. Es steht in der Demokratie den Bürgern frei, ob sie zur Wahl gehen oder nicht. Gleichwohl: Nicht selten gibt es geringe Beteiligungen bei Landratswahlen und dies sollte zumindest zu denken geben.
Was verbinden viele Bürger mit Landratswahlen?
- Desinteresse, jedenfalls zu kommunalen Sachthemen;
- Unklarheit über Aufgaben und Inhalte, desgleichen zur Abgrenzung gegenüber dem Kreistag;
- die Verwaltungsbehörde "Der Landrat", der unter diesem Briefkopf ihnen bei Hilfen, Bescheiden und Informationen im täglichen Leben begegnet ist;
- das Gefühl "noch ein Wahlkampf", von denen wir ohnehin schon zu viele haben.
"Der Landrat" - das ist Behörde und deshalb gibt es gute Gründe, diese Entscheidung nicht wie andere Wahlen zu sehen, sondern sie mittelbar, also durch den Kreistag, erfolgen zu lassen.
Die Direktwahl der Landräte hat nicht selten zu einer "Politisierung" und zu einem "Sympathiewettbewerb", manchmal auch zu Schmeicheleien und Gefälligkeiten geführt, eine nicht gewollte und nicht gute Entwicklung.
Es wird der Verwaltungschef gewählt - nicht der Regierungschef eines Kreises!
Johannes Petersen, langjähriger Kreispräsident und Vorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages, hat zutreffend formuliert:
"Zu großen Teilen hat der Landrat staatliche Weisungsaufgaben zu erfüllen und er ist für einen Teil seiner Tätigkeit Untere Landesbehörde, also Teil der Staatsbehörde. Es ist völlig systemfremd, dass ein ausschließlich den Gesetzen verpflichteter Beamter sich einer politischen Wahl stellen muss. Das führt zu einer Politisierung des Amtes, was dem Amt eigentlich abträglich ist."
Mitte der 90er Jahre stand die Stimmung auch in Schleswig-Holstein auf mehr Bürgerbeteiligung. Mancher soll sogar gedacht haben: Wir brauchen ein Thema, die Schaffung der Direktwahl ist dafür gut.
CDU und SPD haben eine wechselvolle Geschichte zum Thema Direktwahl. Es lohnt ein Blick in die Reden der vergangenen Zeit. FDP und SSW hatten stets eine feste Position, die FDP für die Direktwahl, der SSW dagegen.
Die Entscheidung des Landtages 1995, die Direktwahl einzuführen, war begleitet von einem Systemwechsel:
Nicht mehr der Kreisausschuss hatte das entscheidende Sagen, sondern der Landrat wurde gestärkt.
Eines der Argumente war die so genannte Professionalisierung, tatsächlich wurde das Amt politisiert und politisch, nicht zuletzt, weil der Landrat vom Wählervotum abhängig wurde.
Der FDP-Landtagsabgeordnete Dr. Bernd Buchholz brachte das Kernproblem am 6. Dezember 1995 im Landtag auf den Punkt:
"Eine gleichzeitige Stärkung von Haupt- und Ehrenamt war und bleibt eine Quadratur des Kreises, die auch durch die Novelle nicht erreicht wird."
Richtig.
Genau darum geht es. Heute müssen wir feststellen: Die Balance im Verhältnis des Einflusses zwischen Ehren- und Hauptamt stimmt nicht mehr. Und dies ist der entscheidende Punkt: Wir wollen zurück zu einer Machtverteilung zwischen Ehren- und Hauptamt, die auch wirklich sachgerecht und gestaltbar ist.
Das Hauptamt ist immer stärker geworden. Der Landrat hat die Ressourcen Personal, Themengewichtung, Informationsfülle und Darstellung. Er kann sehr weitgehend aus eigener Tätigkeit und Einschätzung "regieren'".
Kreise sind aber kommunale Vertretungen, in denen die Selbstverwaltung durch Haupt- und Ehrenamt gemeinsam auszuüben ist. Ehren- und Hauptamt tragen gemeinsam die Verantwortung - und deshalb ist die Veränderung des Kommunalrechts in Richtung "Leitbild des alten Kreisausschusses" mit Organstellung richtig.
Wir wollen dies zeitlich so regeln, dass vor den nächsten Landratwahlen in Steinburg und Pinneberg Klarheit besteht. Deshalb ist auch ein Vorschaltgesetz notwendig.
Zwei Lesungen in einer Landtagssitzung, also in der vom 10. bis 12. Dezember 2008? Ich sage ein klares Ja.
Dies ist, wie zuvor dargelegt, vom Zeitablauf geboten und notwendig. Vor allem aber ist es so, dass wir über "ein altes Thema" sprechen, zuletzt
- 2006, als wir über den SSW-Antrag im Parlament beraten haben und ausführlich Gelegenheit zur Stellungnahme und Erörterung gegeben war;
- durch die Entscheidung des Koalitionsausschusses im Dezember 2007, im Herbst 2008 auf Landesparteitagen von CDU und SPD entscheiden zu lassen, es war also 1 Jahr Zeit erneut zu konkreten Diskussionen;
- 1994/1995 durch intensive Debatten in- und außerhalb des Parlamentes, wie zuvor schon angesprochen.
Der Schleswig-Holsteinische Landkreistag hat seit den 90er Jahren durchgehend, zuletzt in einer Stellungnahme vom 4. September 2006 an den Innen- und Rechtsausschuss erklärt: "Wir sprechen uns nach wie vor gegen eine Direktwahl der Landräte aus." Ausdrücklich wird auf entsprechende "eindeutige" Voten der Gremien verwiesen.
Wer sich heute also überrascht äußern würde, ginge völlig an der Situation vorbei.
Wir werden 2009 ausreichend Zeit und Gelegenheit haben, über wichtige einzelne Punkte des Gesetzgebungsvorhabens mit dem Ziel der Stärkung des politischen Ehrenamtes zu sprechen: Wie soll genau die Zusammensetzung des Ausschusses sein, wobei wir von einem Kollegialorgan entsprechend dem Kreistag ausgehen, wer führt den Vorsitz, Stimmrecht des Landrates, wie sind die genauen Kompetenzen des neuen Ausschusses.
Wir wollen ein gestärktes Ehrenamt und einen Landrat, der vor allem Verwaltungschef ist. Deshalb ist die Entscheidung zur Abschaffung der Direktwahl der Landräte der richtige Weg.
Ist eine Differenzierung zu anderen Wahlen wie die der Bürgermeister zulässig? Ja, sie ist es angesichts unterschiedlicher Aufgabenstellungen. Diese Differenzierung ist im Übrigen gleichfalls keine Neuigkeit, sie wurde vor allem im Zuge der Veränderungen des Kommunalrechts Mitte der 90er Jahre geführt. Seinerzeit schien es schon so, als sollten auch die ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister direkt gewählt werden. Es ist gut, dass es so nicht gekommen ist.
Bedeutet die Wahl des Landrates durch den Kreistag und nicht mehr durch die Bürgerinnen und Bürger nicht ein Weniger an Demokratie? Der langjährige SSW-Landtagsabgeordnete Karl Otto Meyer hat dazu in einer beachtenswerten Rede im Landtag am 26. Januar 1995 ausgeführt:
"Gemeinsam mit der SPD trat ich für Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid ein. Das tue ich immer noch. Aber ich habe von Anfang an gesagt: Die Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten will der SSW nicht."
Und er fragt: "Was soll die Gemeindevertretung, was soll die Stadtvertretung, was soll denn der Kreistag noch, wenn der Landrat mehr Kompetenzen bekommt, der Kreisausschuss und alle Ausschüsse mehr Kompetenzen bekommen, aber die Vertretung nicht?"
Empfehlen Sie uns!