Naturschutz in der Kommune: Rede von Minister Dr. von Boetticher

20.05.2008

2. Fachtagung der Arbeitskreise Umweltpolitik der CDU SH und der CDU Landtagsfraktion

Impulsreferat des Ministers für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein Dr. Christian von Boetticher auf der 2. Fachtagung der Arbeitskreise Umweltpolitik der CDU Schleswig-Holstein und der CDU-Landtagsfraktion am 16. Mai 2008

Es gilt das gesprochene Wort

Naturschutz in der Kommune

:

Welchen Beitrag leistet das Ökokonto für den Schutz von Natur und Umwelt?

Welche Möglichkeiten haben Städte und Gemeinden zur Erhöhung des Schutzniveaus?

Anrede,

mit der Novellierung des LNatSchG im vergangenen Jahr hat die Landesregierung unter Führung des Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen einen großen Schritt für effektiven Naturschutz vor Ort und mit den Menschen vor Ort gemacht.

Das Ökokonto ist das neueste Instrument im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung.

Mit einem Ökokonto können auf freiwilliger Basis Maßnahmen des Naturschutzes durchgeführt werden, die erst später als Kompensationsmaßnahmen für einen Eingriff genutzt werden sollen.

Das heißt also, der Fundamentalsatz der Eingriffsregelung, der da lautet: "Wer die Natur beeinträchtigt, der muss der Natur an anderer Stelle etwas Gutes tun!" - dieses Grundprinzip wird zugunsten der Natur erweitert.

Mit dem Ökokonto wird zuerst der Natur etwas Gutes getan. Und zwar bevor überhaupt ein Eingriff vorliegt, möglicherweise viele Jahre vorher.

Das interessante an diesem neuen ökologischen Instrument ist jetzt aber, dass dies gleichzeitig neue ökonomische Perspektiven eröffnet.

Der Grundeigentümer und Landwirt, oder auch die Kommune, kann eine Fläche, die in das Ökokonto "eingebucht" wurde, als Kompensationsfläche nutzen.

Entweder für eigene Zwecke (z.B. Stallneubauten) oder er bietet sie potentiellen Eingreifern an. Dafür erhält er eine Vergütung, ohne die Fläche selbst verkaufen zu müssen. Natürlich ist auch ein kompletter Verkauf möglich.

Bevor ich genauer auf das Verfahren eingehe, möchte ich auf einige rechtliche Anforderungen hinweisen.

Das Ökokonto ist in unserem Landesnaturschutzgesetz in § 12 Absatz 6 enthalten.

Dort sind folgende Voraussetzungen genannt:

Ökokonto und öffentlich-rechtliche Verpflichtung oder Förderung durch die öffentliche Hand schließen einander aus;

die für das Ökokonto vorgesehene Fläche muss sich günstig auf Naturhaushalt und Landschaftsbild auswirken.

Mit der ersten, formalen Voraussetzung wird klargestellt, dass für das Ökokonto nur neue, zusätzliche Flächen, die bisher noch nicht rechtlich für den Naturschutz ausgewiesen sind oder die z.B. durch den Vertragsnaturschutz gefördert werden, in Frage kommen.

Die zweite, fachliche Voraussetzung soll bewirken, dass die Ökokonto-Flächen auch tatsächlich einen ökologischen Nutzen entfalten. Sie müssen vor allem geeignet sein, zukünftige Eingriffe zu kompensieren. Das ist der Fall, wenn diese Flächen in naturschutzfachlicher Hinsicht aufwertungsfähig sind.

Jetzt komme ich zum Verfahren.

Mein Ziel dabei ist, das Verfahren so schlank zu halten, dass im Regelfall der Grundeigentümer den Antrag für die Aufnahme einer Fläche in das Ökokonto alleine stellen kann.

Die Hinzuziehung von Gutachtern und die Vorlage von Untersuchungen sollen nur in Ausnahmefällen erforderlich sein.

Insofern reichen folgende Informationen aus:

Angaben zum Antragsteller, und zur Fläche,

Angaben zum ökologischen Zustand der Fläche (z.B. Grünland, Acker, Kleingewässer, Gehölzbestand),

Angaben zum angestrebten Zustand der Fläche (z.B. extensive Beweidung, Anlage von Knicks und Feldgehölzen).

Zuständige Behörde ist die jeweilige untere Naturschutzbehörde bei den Kreisen.

Liegen die bereits erwähnten Voraussetzungen vor und sind die Antragsunterlagen vollständig eingereicht worden, besteht ein Rechtsanspruch auf Aufnahme der Fläche in das Ökokonto.

Wie kann man sich nun die Bewertung von Ökokonten vorstellen?

Dies scheint mir eine der zentralen Fragen zum Ökokonto zu sein.

Denn hieran wird sich in Zukunft zeigen, welchen Nutzen ein Ökokonto bringen kann für die Steigerung des ökologischen und ökonomischen Wertes einer Fläche.

Ich will das einmal an einem Beispiel aufzeigen:

Ein Landwirt besitzt eine Grünlandfläche von 3 Hektar, die er zurzeit noch intensiv nutzt, die aber in weiterer Entfernung von seiner Hofstelle liegt und an mehreren Seiten an Waldflächen angrenzt. Diese Fläche will der Landwirt zukünftig extensiv nutzen und er überlegt, diese Fläche in ein Ökokonto einzubuchen. Nach einem Vorgespräch bei der unteren Naturschutzbehörde kristallisiert sich folgende Zielsetzung heraus:

Extensivierung der Grünlandnutzung, keine Düngung, Beweidung mit Rindern (2 Tiere /ha),

Anlage von 3 Tümpeln als Amphibienlaichgewässer für Laubfrosch und Kammmolch.

Warum ist das für den Landwirt interessant?

Antwort: Weil sich hier die anvisierte Flächennutzung eben nicht nur ökologisch rechnet, sondern auch ökonomisch.

Und das liegt daran, dass der Landwirt die Fläche als Kompensationsfläche auch wirtschaftlich verwerten kann, weil sich deren Wert erhöht.

Wie stellt sich nun die Wertentwicklung von Ökokonto-Flächen dar?

Im Rahmen der neuen Ökokonto-Verordnung sollen mehrere Faktoren zur Wertentwicklung beitragen:

die "Verzinsung" der Fläche, das meint, für jedes Jahr, das die Fläche im Ökokonto ist bevor sie als Kompensationsfläche "verwertet" wird, gibt es "Öko-Zinsen". Dadurch erhöht sich der Kompensationswert der Fläche.

Zusätzlich gibt es Zuschläge für die Lage der Fläche im Schutzgebiets- und Biotopverbundsystem des Landes. Damit will ich erreichen, dass wir weg kommen von kleinen "Klecker-Flächen", ich möchte das Ökokonto nutzen, um in Schwerpunktbereichen den Naturschutz effektiv fördern zu können.

Es wird Zuschläge geben für besondere Maßnahmen für den Artenschutz. Dies können, wie in unserem Beispiel, Laichgewässer für Amphibien sein.

Unsere vorhin beschriebene Beispielsfläche mit einer Größe von 3 Hektar (das sind 30.000 Quadratmeter) kann demnach z.B. nach 5 Jahren und den beiden Zuschlägen für Lage und Artenschutz den Wert von 43.000 Ökopunkten erhalten.

Diese entsprechen einer Kompensationsfläche von 43.000 Quadratmetern.

Mit dieser Fläche kann ein Kompensationserfordernis von 43.000 Quadratmetern erfüllt werden, obwohl die Fläche selbst nur 30.000 Quadratmeter groß ist.

Aus dieser Differenz ergibt sich der ökonomische Gewinn für den Grundbesitzer.

Der ökologische Gewinn für die Natur ergibt sich aus der frühzeitigen Einbuchung in das Ökokonto, die Lage der Fläche und vor allem auch auf Grund der hohen ökologischen Wertsteigerung durch besondere Artenschutzmaßnahmen.

Zu welchem Preis zukünftig Ökokonto-Flächen veräußert werden, das werden Angebot und Nachfrage entscheiden.

Da möchte ich mich staatlicherseits ganz bewusst heraushalten.

Sicherlich wird die Akzeptanz von Ökokonto-Angeboten auf Seiten derer, die in die Natur eingreifen und Kompensationsmaßnahmen benötigen, davon abhängen, in welcher Größe und in welcher Qualität ein Ökokonto angeboten wird. Denn den Eingreifern geht es darum, dass die Genehmigung, die sie für Ihr Vorhaben benötigen und zu der auch die Kompensationsverpflichtung gehört, rechtsicher ist und dass sie sich auf die Erfüllung des Kompensationserfordernisses durch den Ökokonto-Besitzer verlassen können.

Behördlicherseits wird Ökokonto-Besitzern als auch Nachfragern gegebenenfalls beratend zur Seite gestanden. Die unteren Naturschutzbehörden haben aus örtlicher Sicht den besten Überblick. Zur weiteren Hilfe wird die schon erwähnte Ökokonto-Verordnung auch Regelungen zur Einrichtung eines Katasters enthalten.

In diesem sog. Ausgleichsflächenkataster werden neben den Ausgleichs- und Ersatzflächen auch alle die Flächen aufgenommen, die in ein Ökokonto eingebucht worden sind. Damit wird sichergestellt, dass alle nötigen Informationen über Verfügbarkeit und Qualität und Lage schnell und einfach abrufbar sind.

Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas sagen zur Kritik an Ökokonten, in der ab und zu von Ablasszahlung für Naturfrevel polemisiert wird.

Das ist nun das Ökokonto ganz und gar nicht.

Denn die Ermittlung der erforderlichen Kompensation für einen Eingriff erfolgt weiterhin im Rahmen des jeweiligen Zulassungsverfahrens.

Das heiß, dass sich an der Bewertung der Schwere des Eingriffs, der betroffenen Naturgüter, Schutzgebiete, geschützter Biotope usw. gar nichts ändert.

Soll die Kompensation des Eingriffs zukünftig durch eine Ökokonto-Maßnahme erfolgen, wird dies in der Eingriffsgenehmigung flächenbezogen festgesetzt und die Maßnahme aus dem Ökokonto "ausgebucht" genauso, wie bisher Ausgleichs- oder Ersatzflächen festgesetzt worden sind.

Aus all dem ergeben sich für mich ganz eindeutige Vorteile für das Ökokonto und damit für die gesamte Eingriffsregelung:

Kompensationsflächen werden für den Vorhabenträger kurzfristig und günstig verfügbar, damit werden Planungshemmnisse reduziert und Investitionen einfacher.

Es ergeben sich neue Potentiale der Flächennutzung für den Grundeigentümer, die insbesondere durch die Gewährung von Öko-Zinsen und an qualitativen Verbesserungen der Flächen gebundenen weiteren Zuschlägen attraktiv werden.

Für die Natur werden Flächen vorzeitig zur Verfügung gestellt und gesichert. Die Flächen haben sich bis zu ihrer Nutzung als Kompensationsfläche bereits ökologisch entwickeln können. Für die Natur entsteht ein weiterer Mehrwert aufgrund des Anreizes, Ökokonto-Flächen möglichst in Schwerpunkträumen zu konzentrieren und auf ihnen spezielle Maßnahmen für den Artenschutz durchzuführen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Wesentliche Eckpunkte zum Ökokonto:

· Unter einem Ökokonto werden Maßnahmen verstanden, die dauerhaft günstige Auswirkungen auf den Naturhaushalt und/oder das Landschaftsbild haben und die ohne öffentlich rechtliche Verpflichtung oder Förderung durchgeführt werden.

· Diese freiwillig durchgeführten Maßnahmen können in ein Ökokonto eingebucht und später als Ersatzmaßnahme für einen Eingriff genutzt werden (Ausbuchung aus dem Ökokonto).

· Damit werden folgende drei Ziele verfolgt:

1. Die Kompensation im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung wird flexibler umgesetzt. Insbesondere gestaltet sich durch die Bevorratung von potentiellen Kompensationsflächen in Ökokonten die Verfügbarkeit solcher Flächen einfacher, die Flächen stehen erheblich schneller bei einer konkreten Eingriffsplanung zur Verfügung und führen damit im Sinne der Vorhabenträger zu einer Beschleunigung von Zulassungsverfahren.

2. Die Möglichkeit, Flächen auf freiwilliger Basis in ein Ökokonto einbuchen zu können, schafft für die Eigentümer dieser Flächen - insbesondere aus dem Bereich der Land- und Forstwirtschaft - neue Nutzungsmöglichkeiten, da diese Flächen zu einem späteren Zeitpunkt an einen Vorhabenträger als Kompensationsfläche veräußert werden können.

3. Für den Naturschutz ist das Ökokonto ebenfalls von großem Nutzen, da mit diesem Instrument der Natur bereits zu einem frühen Zeitpunkt Flächen zur Verfügung gestellt werden und diese dadurch einen ökologischen Vorlauf erhalten.

Inhalt der Verordnung

Im Einzelnen enthält die Verordnung folgende Regelungen:

Nach dem Anwendungsbereich (§ 1) wird in § 2 das Verfahren der Aufnahme in das Ökokonto geregelt. Hierzu gehören die Angaben, die ein Antrag enthalten muss sowie die Regelungen zur Antragsprüfung durch die Naturschutzbehörde. Hierunter fallen insbesondere nähere Angaben zur Geeignetheit und zur Mindestgröße einer Fläche. Die Rechte und Pflichten des Maßnahmenträgers werden in § 3 geregelt.

§ 4 regelt die Anrechnung einer Maßnahme aus dem Ökokonto. Neben formalen Voraussetzungen und der dauerhaften Sicherung der Fläche (Grundbucheintrag) wird in Absatz 2 die Höhe der Anrechnung einer Ökokonto-Maßnahme als Ersatzmaßnahme geregelt. Die Details hierzu enthält die Anlage 1 der Verordnung. Weiter werden in der Verordnung die Pflichten der Naturschutzbehörde (§ 5) und die Handelbarkeit von Ökokonten (§ 6) geregelt.

Die Zuständigkeit für den Vollzug des Ökokontos ergibt sich aus § 3 der Landes-verordnung über die Zuständigkeit der Naturschutzbehörden (Naturschutzzustän-digkeitsverordnung - NatSchZVO) und liegt bei den unteren Naturschutzbehör-den.

Die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie die Ökokonto-Maßnahmen werden in ein Ausgleichsflächenkataster aufgenommen, das bei den unteren Naturschutzbehörden geführt wird (§ 7).

Zur Flexibilisierung der Kompensationsregelungen wird der räumliche Zusammenhang von Eingriff und Ersatzmaßnahme durch § 8 der Verordnung näher bestimmt. Danach ist es zukünftig ausreichend, wenn der Ersatz in derselben Raumeinheit wie der Eingriff liegt (Anlage 2 der Verordnung).

Finanzielle Auswirkungen

Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte sind nicht zu erwarten. Bei den Kreisen und kreisfreien Städten als zuständige Naturschutzbehörden ist zwar in gewissem Umfang mit erhöhtem Verwaltungsaufwand für die Ökokonten und die Ausgleichsflächenkataster zu rechnen. Dieses soll jedoch über angemessene neue Gebührentarife in der "Landesverordnung über Verwaltungsgebühren" kompensiert werden. Unabhängig hiervon werden für die private Wirtschaft letztendlich finanzielle Entlastungen erwartet. Die Regelungen zum Ökokonto werden maßgeblich zur Verfahrensvereinfachung bei Eingriffen in Natur und Landschaft beitragen.